Sechs Tage Im Saarburger Land – auch diesmal hatten die Freunde der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Merkstein ein schönes Gemeinschaftserlebnis. Unvergessliche Eindrücke, die noch lange in Erinnerung bleiben. Das Hotel Erasmus in Trassem bei Saarburg mit seinen großzügigen Zimmern und ausgezeichneter Verpflegung ließ keine Wünsche offen. Jetzt, bei schmuddeligen Winterwetter, erinnern wir uns an Reisetage voller Sonnenschein, Ausflüge zu interessanten Zielen, vielfältiges Kennenlernen und Genießen in so kurzer Zeit.
Stadtführung durch Luxemburg.
Eine Rundfahrt führte zunächst zur Großen Saarschleife. nach einem kurzen Spaziergang vom Parkplatz durch den Wald – hier gibt es seit einigen Jahren einen professionellen Baumwipfelpfad – steht man plötzlich am Aussichtspunkt hoch über der Saar und hat einen überwältigenden Blick auf den Fluss, der sich fast 20 Kilometer lang um ein Bergmassiv windet.
Blick auf die Saarschleife.
Wenige Kilometer weiter die berühmte Klause Kastel-Staadt, ein geschichtsträchtiger Ort, der schon von den Römern besiedelt war. Ein römisches Amphitheater ist zu besichtigen. Die sicherlich dazugehörigen Einrichtungen hat die Erde noch nicht freigegeben.
Beeindruckend in ihrer Schlichtheit ist die kleine romanische Kirche St. Johannes der Täufer aus dem 13. Jahrhundert. Und schließlich die Klause auf dem Felsplateau hoch über der Saar, die Mönche zur Zeit der Kreuzzüge in den weichen Sandstein schlugen.
Die Odyssee des blinden Königs
An dieser Stelle muss ein überaus spannendes Stück Historie erzählt werden. Zur Erinnerung für unsere Reiseteilnehmer: Der bilde König Johann von Böhmen, zugleich mächtiger Graf von Luxemburg, fällt 1346 im Kampf gegen die Engländer. Der Sieger, Eduard III. von England, gibt dem blinden König die Ehre und lässt ihn in der Benediktinerabtei in Luxemburg beisetzen. Jahrhunderte lang, noch beim preußischen Adel, galt Johann der Blinde als Inbegriff des europäischen Rittertums. Aber nun beginnt die unglaubliche Odyssee. Der tote König sollte noch keine Ruhe finden.
Die Abtei Altmünster brennt ab, die Gebeine kommen in die Abtei Neumünster. Auch die wird schwer beschädigt im Kampf gegen die Franzosen. Jetzt kommt der Sarg zu den Franziskanern. Ende des 16. Jahrhunderts verlangen die Benediktiner den Sarg zurück, aber es fehlen der Kopf (später wiedergefunden) und der linke Unterarm. Die Franziskaner hatten mit den Gebeinen offenbar ein Geschäft gemacht und sie gegen Geld ausgestellt. 1684 gegen Ludwig XIV. geht die neue Abtei in Flammen auf. Der Leichnam Johanns wird gerettet und in der Abtei St. Johann beigesetzt. Während der Französischen Revolution verbergen die Mönche Johanns Überreste in der Felsenhöhle eines Bäckers. Auf dem Sterbebett erzählt der Bäcker dem Bürgermeister, welchen Schatz er hütet. Angeblich bei einem Zechgelage erfährt der Vorfahr des heute berühmten Unternehmens Villeroy und Boch, ein Piére-Joseph Boch, davon und kauft die Gebeine für seine Raritätensammlung. Dessen Sohn kauft die inzwischen säkularisierte Abtei in Mettlach, und Johanns Gebeine kommen nun dorthin. Dort ruhen sie 24 Jahre lang in einer Mansardenkammer!
1833 schenkt die Familie Boch Johanns Überreste dem preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm, als dieser das preußische Rheinland bereist. Der Kronprinz ist begeistert. Die Verehrung für Johann den Blinden war immer noch lebendig. Friedrich Wilhelm lässt in der Klause eine Grabkapelle für Johann ausbauen und beschäftigt damit seinen berühmten Stararchitekten Karl-Friedrich Schinkel, der auch die Umfassungsmauer für die alte Kirche St. Johannes der Täufer gestaltet. Nun wird Johann in der Grabkapelle feierlich in einem schwarzen Marmorsarkophag beigesetzt. Es sollte nicht die letzte Umbettung Johanns von Böhmen gewesen sein. Nach dem Zweiten Weltkrieg, Luxemburg war inzwischen ein unabhängiger Staat, verlangte die Regierung die Rückgabe der „unrechtmäßig entwendeten“ Gebeine. Am 26. August 1946 fand die Überführung des blinden Königs Johann von Böhmen in die Krypta der Kathedrale Notre Dame von Luxemburg statt. Eine über 600jährige Odyssee ist – vorerst – zu Ende.
Der Wasserfall in Saarburg
Krönender Abschluss der Rundfahrt durch das Saarburger Land war der Aufenthalt im schmucken Städtchen Saarburg. Gut gepflegte Fachwerkhäuser prägen die gemütlichen Altstadtgassen rund um den Leutbach, der ursprünglich die Stadt umfloss. Im 13. Jahrhundert wurde er umgebettet, damit genügend Löschwasser in der Stadt war. Sein Wasserfall stürzt seitdem, mitten in der Altstadt, 17 Meter in die Tiefe.
Der Wasserfall in der Stadt Saarburg.
Ein unvergesslicher Genuss, in der Herbstsonne am Wasserfall zu sitzen, sein ständiges Rauschen im Ohr, dem Blumenschmuck an seinem Geländer und das bunte Treiben in den gemütlichen Cafés und Restaurants zu beobachten.
Trier und Karl Marx
In gut 20 Kilometer Entfernung von Trassem lockte die alte Bischofsstadt Trier. Auf kurzen Wegen begegnet man in Trier der Römerzeit und dem Mittelalter. Schon der Spaziergang durch die Fußgängerzone von der Porta Nigra, dem originalrömischen Stadttor, zum Hauptmarkt, verbindet die Jahrhunderte. Das mittelalterliche Rathaus und die Bürgerkirche St. Gangolf zeugen noch heute vom damals aufstrebenden und selbstbewussten Bürgertum.
Die Porta Nigra in Trier.
Einen Steinwurf entfernt: der romanische Dom von 320 und gleich daneben die gotische Liebfrauenkirche, entstanden im 13. Jahrhundert. Ein ungewöhnliches Ensemble, das zurecht Weltkulturerbe ist.
In diesem Jahr 2018 ehrt die Stadt Trier ihren berühmten Sohn Karl Marx zum 200. Geburtstag; mit Ausstellungen, Vorträgen, Skulpturen in der Stadt, vor allem aber mit der Wiedereröffnung seines Geburtshauses in der Brückenstraße 10.
Ein Neues Denkmal im Geburtsjahr für Karl Marx.
Die Dauerausstellung zu Leben und Werk von Karl Marx ist völlig neu und modern konzipiert und vermittelt für Besucher jeden Alters ein Museumserlebnis der besonderen Art. Trier – eine lebendige Stadt ohne Hektik, mit vielfältigen Perspektiven, ganz nebenbei auch eine gute Einkaufsstadt, eine Stadt zum Wohlfühlen.
Der Kirchberg in Luxemburg
Am nächsten Tag erlebten die AWO-Freunde einen echten Kontrast: Die gigantischen Gebäude der Banken und europäischen Einrichtungen auf dem Kirchberg der Stadt Luxemburg. Bei einer geführten Busfahrt ging es vom Stadtzentrum über die Großherzogin-Charlotte-Brücke vom Stadtzentrum zum Kirchberg-Plateau.
In 74 Meter Höhe überspannt die Brücke das Tal der Alzette und gewährt den Ausblick auf die alten Festungsanlagen der Stadt. Eine gute Stunde lang ging es auf dem weitläufigen Plateau an den Glaspalästen internationaler Banken vorbei. Alles was Rang und Namen hat in der Finanzwirtschaft gibt sich hier ein Stelldichein.
Blick von der Stadtmauer in Luxemburg.
Im Wechsel mit bedeutenden europäischen Einrichtungen, darunter der Europäische Gerichtshof (EUGH), der Europäische Rechnungshof, die Europäische Investitionsbank und das Generalsekretariat des Europaparlaments und der Rat der Europäischen Union, der hier im April, Juni und Oktober tagt.
Der versierte Stadtführer kannte alle Namen und vermittelte einen lebendigen Eindruck von der Entwicklung des Kirchbergs. „In meiner Jugend war hier nichts als Wiese. Hier haben wir als Kinder gespielt.“
Großherzoglicher Palast
Zurück in der Altstadt durften die AWO-Freunde dann zu Fuß zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten wandern. Der Großherzogliche Palast, schräg gegenüber vom Nationalmuseum, ist ein interessantes Ensemble von Gebäuden aus mehreren Jahrhunderten. Die heutige Dynastie Nassau-Weilburg gestaltete den Palast 1890, als Luxemburg seine völlige Unabhängigkeit erreicht hatte. Rechts neben dem Palast das Abgeordnetenhaus von Luxemburg. Das ist der besondere Reiz kleiner Staaten: Ihre Repräsentanz scheint näher am Alltagsleben als anderswo.
Der Großherzogliche Palast in Luxemburg.
Mit launigen Erzählungen brachte der Stadtführer die Atmosphäre seiner Heimatstadt näher und führte dabei zwanglos mitten durch das modern gestaltete historische Museum, eine architektonische Spitzenleistung.
In vier alten Bürgerhäusern wurde das Museum eingebaut und in deren Substanz integriert. Über sechs Stockwerke führt ein gläserner Panoramalift. Der fasst mit seinen 18 Quadratmetern Fläche 65 Personen. Unerwartet stand die AWO-Gruppe die Festungsmauer über den unterirdischen Kasematten und wanderte von dort aus zur Kathedrale von Notre Dame mit ihren herrlichen Glasfenstern, wo der blinde König Johann von Böhmen in der Krypta seine letzte Ruhestätte gefunden hat.
Immer wieder ging es bei dieser Kurzreise hin und her über Ländergrenzen, zwischen Saarland, Rheinland-Pfalz, Deutschland und Luxemburg. Und dabei wurde eine Region wie aus einem Guss erlebt, ein zusammengehörender Kulturraum, und doch voller unterschiedlicher Eindrücke.
Römische Ausgrabungen
Letztes Tagesziel war die römische Villa Borg und die Benediktinerabtei Tholey. Die Gründung von Tholey geht auf das 8. Jahrhundert zurück, eine der ältesten Benediktinerabteien Deutschlands, die auch heute noch 12 Mönche in ihren Mauern zählt. Besonders sehenswert ist die frühgotische Kirche mit dem Chorgestühl von 1704. Tholey hätte ein Höhepunkt der Reise sein können. Aber auch bei noch so akribischer Vorbereitung sind Enttäuschungen nicht ausgeschlossen. Eine Woche vor der Reise hatten wir das Besucherzentrum kontaktiert. Niemand hatte uns darüber informiert, dass die Kirche Baustelle ist und nicht betreten werden kann. Freitagnachmittag! Besucherzentrum geschlossen. Dass ein Alternativprogramm möglich gewesen wäre, erfuhren wir in der folgenden Woche bei einem Anruf und entsprechender Beschwerde. Den AWO-Freunden gebührt herzlicher Dank für Geduld und Verständnis. Bei Kaffee und Kuchen und herrlichem Sonnenschein auf der Terrasse des benachbarten Restaurants war der Ärger zu verschmerzen.
Voll entschädigt hatte uns der Besuch der Römischen Villa Borg am Vormittag. Die Villa Borg, vor über 100 Jahren durch den Lehrer Johann Schneider entdeckt, wird seit 18987 wissenschaftlich ausgegraben, eine der größten Villenanlagen im Saar-Mosel-Raum. 1949 wurde der Beschluss gefasst, den gesamten Gutsbezirk nach dem heutigen Stand der Forschung wieder auferstehen zu lassen. Inzwischen sind das römische Bad, die Taverne, das Herrenhaus, Wohn- und Wirtschaftstrakt und die Küche, Torhaus und Innenhof, originalgetreu wieder aufgebaut. Die Grabungen auf einer Fläche von 7,5 Hektar gehen weiter.
Eindrucksvoll aufgebaut: die römische Villa Borg.
Hier kann römisches Leben lebendig nachvollzogen werden. Zwanglos kann man alle Räume erkunden, die zahlreichen Exponate anschauen, wie dazumal die römischen Bürger in der weiträumigen Anlage lustwandeln. Ein Geschichtserlebnis zum Anfassen!